Reisetipps für B-fänger (werden laufend ergänzt):
- Falls Du findest, Reisetipps seien unnütz und behinderten die eigene Erfahrung, so hast du vielleicht gerade die richtige Einstellung und solltest sie dir nachfolgend sparen.
- Falls du die Absicht hast, in der Fremde eine Frau oder einen Mann aufzureissen, so werden dir die nachfolgenden Tipps nicht nützlich sein und du bist besser aufgehoben in einem der vielen Urlaubsghettos, die es inzwischen fast in jedem Winkel der Erde gibt. Oder geh gleich in einen Swingerclub in deiner Nähe. Das gleiche gilt, wenn du den ganzen Tag am Hotelpool liegen möchtest und dich ohne WLAN und Internetzugang einsam fühlst. Such dir am besten ein Wellnesshotel in der Nähe mit Whirlpool, WLAN und Plastikpalme – das kommt auch billiger.
- Vergiss Pass, Bargeld, Zahnbürste, einen grossen Plastiksack, ein Stück Schnur, Nadel und Faden und genügend Unterwäsche nicht, aber lass den überflüssigen Krempel zuhause. Nimm soviel mit, wie du auf dir tragen kannst – sprich Handgepäck im Flieger -, selbst wenn du vier Wochen unterwegs bist. Wenn man tüchtig herumreist, riecht man eh ein bisschen und Wäsche kann man unterwegs waschen (lassen). Ein Tuch aus Mullgewebe (Windeltuch) 60x60 cm. kann auf Reisen nützlich sein. Es schützt gegen Schweiss, Dreck, Kälte und notfalls lässt es sich als Windel nutzen , wenn du das fremde Essen nicht verträgst. Man kann es leicht auswaschen und es trocknet in kurzer Zeit.
- Reise allein oder mit einem erprobten Menschen. Reisegruppen erkennt man am Führer mit der Schwenktafel, auf der Gruppennamen wie „Sängerfreunde Walterswil“ oder „Seniorensport e.V. Hagershausen“ stehen, sowie an den gestressten Hostessen, die vor der Carfahrt den Lunch inkl. Tagesagenda verteilen. Solche Gruppen haben etwas Deprimierendes: am Tag watscheln sie von Sehenswürdigkeit zu Sehensunwürdigkeit, am Abend pflegen sie die französische, italienische, bayerische, hessische oder Emmentaler Geselligkeit, ihr Skatlachen dröhnt durch die Vorhallen der Erstklasshotels. Glaub mir, du bist dir selbst genug, du nimmst auch ohne Gruppe soviel lästige Heimat mit in die Fremde, dass du alle Hände voll zu tun hast, sie in Schach zu halten, um zu neuen Eindrücken zu kommen.
- Reiseführer sind nur bedingt nützlich, ein guter gibt einen ersten Überblick, aber viele nehmen Erfahrungen vorweg. Sie empfehlen dir all die Hotels und Bars, in denen du auf Altbekannte triffst. Auch nennen sie dir die tausend Namen von Herrschern, die da und dann residiert und die den und die besiegt haben. Die meisten waren Idioten, einige wunderbar, weil sie eine Blütezeit von Frieden und Kultur geprägt haben. Es sind die, die man heute noch verehrt, die anderen sind vergessen. Neben einer guten Karte nährt Literatur die Sehnsucht. So bin ich schlussendlich nach Marokko gefahren, weil mich Canettis „Stimmen von Marrakesch“ gerufen haben.
- Frag dich durch, frag, bis du jemanden hast, der dir eine Antwort geben kann. Aber sich keinen Guide aufschwatzen lassen, du kommst zu nichts mehr! Also nicht gleich den Griff zum Führer. In asiatischen Ländern kann es dir passieren, dass du zum Wohnen und Essen eingeladen wirst, manchmal nicht ohne pekuniäre Hintergedanken doch sehr oft einfach aus Gastfreundschaft. Das kann eine gute Erfahrung sein, aber auch vereinnahmend. Wenn du nach drei Tagen und einer Unmenge von Essen alle hundert Mitglieder der Familie eingehend kennengelernt hat, so ist es vielleicht Zeit, einen Strich zu ziehen und sich zu verabschieden.
- Zuerst schnuppern, dann denken, Instinkt walten lassen, vor den Anweisungen die Sinne einsetzen. Sich aufladen mit Eindrücken. Am besten zuerst ohne Idee losziehen, vielleicht ein gewisses Ziel anvisieren oder die Himmelsrichtung bestimmen, loslaufen, stundenlang sich bewegen und verirren.
- Nicht vergessen: die Menschen in der Fremde haben mehr Gemeinsamkeiten mit uns als Unterschiede: auch sie sprechen, essen, lieben, lachen, weinen, singen und gehen aufs Klo.
Trotzdem: respektiere die andere Lebensart: lauf in den Souks von Marrakesch nicht in Trägershirts und Hotpants herum, berühre z.B. im Iran keine Frau (ausser die eigene – im Hotel) und trage dort (als Frau) ein Kopftuch (mindestens solange das islamische Regime an der Macht ist), knips nicht blind in der Gegend herum und versuche nicht, dich übertrieben zu assimilieren. Bewege dich dennoch nicht wie auf einem Minenfeld.
- Sprich mit den Menschen über Unverfängliches, Alltägliches, z.B. wo sie am liebsten essen oder wie viel ein Packet Zigaretten kostet – und frag nicht gleich, ob sie an Gott glauben, das Regime hassen oder wo das nächste Puff ist.
- Es kann dir in Entwicklungs- oder Schwellenländern passieren, dass dir eine Frau oder ein Mann nach 5 Minuten (zurückhaltend oder offen) einen „Heiratsantrag“ macht. Nimm’s nicht gleich persönlich, es hat wenig mit dir und mehr mit den existentiellen Bedingungen in diesen Ländern zu tun.